Warum Sie öfter mal einen Blick nach hinten werfen sollten …

Den (kultur-)geschichtlichen Rahmen rund um das große Jubiläum „1000 Jahre Kemmern“ bilden die Themenabende. Kemmerns Geschichte, der Ortsname, die Vorstellung der neuen Chronik – das alles ließen sich viele Kemmerner nicht entgehen. Nun standen die Geschichten rund um die Altäre und die Orgel der Pfarrkirche im Mittelpunkt des Geschehens.

Im Gegensatz zu den bisherigen Themenabenden diente diesmal nicht das Pfarrheim, sondern die Pfarrkirche als Vortragssaal. Denn wo ließe sich die Geschichte der Altäre und der bisher vier Orgeln besser erzählen als hier? Bürgermeister Rüdiger Gerst konnte diesmal allerdings nicht so viele Besucher begrüßen wie sonst – „wir sind heute ein eher überschaubarer Kreis“, meinte er bei der Begrüßung. Das mag auch daran gelegen haben, dass beide Themen schon in die neue Ortschronik eingearbeitet wurden. Dennoch: Alle, die nicht da waren, haben etwas verpasst.

Zunächst stellte Gerst die Referenten des Abends vor. Lothar Braun, der zuletzt Richter am Oberlandesgericht Bamberg war, beschäftigt sich schon lange, vor allem für den Historischen Verein Bamberg, mit Geschichtlichem – und referierte anschließend über die Altäre. Und Harald Nehr, ein echter Kemmerner, ist heute Oberstudienrat an einem Gymnasium in Stuttgart, beschäftigt sich aber intensiv mit Orgelgeschichte(n).


Lothar Braun erklärte die Altäre in der Pfarrkirche Kemmern.

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Orgel war eher zur Untermalung gedacht

Lothar Braun machte den Anfang – und ging zurück ins Jahr 1710, als die zur eigenen Pfarrei erhobene Kirchengemeinde Kemmern ihr Gotteshaus mit einem neuen Hochalter ausstattete. Dieser hat viele bekannte Geschwister, die ebenfalls aus der Werkstatt des Bildhauers Sebastian Degler stammen, etwa in der Oberen Pfarre in Bamberg oder der Hochaltar in der Pfarrkirche Scheßlitz. Die beiden Seitenaltäre in Kemmern hingegen entstanden später. Eine Rechnung gibt es zu ihnen nicht, so dass die Vermutung naheliegt, dass sich ein Stifter fand.

Nach Brauns Vortrag übernahm Harald Nehr. „Mit keinem anderen Instrument kann man zwölfstimmig spielen. Jedes ist ein Unikat – und man hört Klänge aus anderen Epochen, als wäre man in einer Zeitmaschine“ – so erklärte Nehr seine Faszination für das Instrument Orgel. Während die katholischen Orgeln über lange Zeit eher zur Dekoration gedacht waren und die Handlungen des (damals noch mit dem Rücken zu den Gläubigen stehenden) Priesters untermalten, gehörten die evangelischen Orgeln schon immer zur Liturgie. „Das Orgelspiel, wie wir es kennen, also die Begleitung des Gemeindegesangs, entwickelte sich schleichend ab dem 18. Jahrhundert.“ Somit fallen auch die ersten beiden Orgeln in Kemmern von 1719 und 1867 eher klein aus. „Eine Orgel war nichts extrem Wichtiges, sie musste eben da sein.“


Die neue Orgel wurde weit nach vorne gebaut – und befindet sich so mitten im „Volk“.


Bürgermeister Rüdiger Gerst mit Harald Nehr, Lothar Braun und Zweitem Bürgermeister Hans-Dieter Ruß.

Ein voll mechanisches Instrument

Auf die Geschichte der zweiten Kemmerner Orgel von 1867 ging Nehr ausführlicher ein. Denn hätte es nach dem Zweiten Weltkrieg keinen misslungenen Reparaturversuch gegeben, stünde sie vielleicht heute noch – die Orgeln des Orgelbauers Weineck gelten als gut und sind in der Region vielfach noch im Einsatz. Ihr Nachfolger in Kemmern, eine schlichte Konstruktion des Orgelbauers Dietmann aus Lichtenfels, blieb lediglich von 1958 bis 2013 in Gebrauch. Ihr Problem: Viel Elektrik, eher mindere Qualität. Und so bekam Kemmern schließlich 2013 erneut eine neue Orgel. Die ist allerdings technisch gar nicht neu – sie funktioniert wie eine Orgel aus vergangenen Zeiten, mechanisch. „Die kann gut und gerne 300 Jahre hier stehen“, meinte Nehr.

Musikalisch mit kleinen Einlagen begleitet wurde sein Vortrag von Uwe Altenbach, der für die jeweilige Zeit typische Klänge einspielte. Und zum Schluss gab Nehr einen Ausblick: Heute würden zwar noch viele Orgeln restauriert, schon in ein paar Jahren könne das aber anders aussehen – durch veränderten Musikgeschmack, weniger Gottesdienstbesucher, mehr Pfarreiengemeinschaften und geringere Finanzmittel. „Meine Empfehlung: Werfen Sie heute in Kirchen, die Sie besuchen, öfters mal einen Blick nach hinten …“

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