Ratsbegehren vs. Bürgerbegehren

Der am 13. Januar 2022 eingegangene Antrag für das Bürgerbegehren „Sind Sie dafür, dass der Bebauungsplan Brückenweg-Nord in der aktuellen Fassung nicht umgesetzt wird und ohne Riegelbebauung mit kleineren Gebäuden neu geplant wird“ war mit 425 gültigen Unterschriften regelkonform, weshalb der Gemeinderat nun über dessen Zulässigkeit entscheiden musste.

Nach einer kurzen Einführung in die Thematik erteilte Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder bei der Gemeinderatssitzung am 8. Februar 2022 dem Geschäftsstellenleiter Stefan Neubauer das Wort, um den weiteren Sachverhalt zu erklären. Die Änderung der Bauleitplanung liege im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde. Das Bürgerbegehren entsprach zudem den Formerfordernissen und hielt der Rechtskontrolle stand. Am Tag der Antragsstellung waren in Breitengüßbach 3.662 Wahlberechtigte verzeichnet. Da die nötige Unterschriftenzahl von zehn Prozent (= 366) mit einer Beteiligung über zehn Prozent (nämlich 11,5 Prozent) erreicht war und der Antrag alle Erfordernisse formell und materiell erfüllt hat, stellte der Gemeinderat einstimmig dessen Zulässigkeit fest.

Im nächsten Tagesordnungspunkt musste sich nun das Gremium mit der Frage beschäftigen, ob es sich mit der Sachfrage des Bürgerbegehrens identifizieren könne, oder ob es anderer Meinung sei.

Die Bürger, so wurde erläutert, welche das Bürgerbegehren unterstützen, stören sich an der 93 Meterlangen „Riegelbebauung“, das heißt sie halten die Form des vierstöckigen Gebäudekomplexes mit 72 Wohneinheiten und seiner Einpassung in das Gelände für unangemessen. Als Alternative werden Einfamilienwohnhäuser mit maximal 40 Wohneinheiten und Parkanlage, sowie bei Bedarf die Errichtung eines Vertikalgartens (begrünter Lärmschutz) vorgeschlagen.

Der geschilderte Sachverhalt weist darauf hin, dass diese Einwände und Vorschläge bereits vor Beschluss der Bauleitplanung im Gremium diskutiert worden waren. Die Entscheidung des Gemeinderats hätte sich hingegen auf die regionalplanerische Grundforderung „Innen statt Außen“ gestützt, nämlich „Leerstände zu füllen, Baulücken zu schließen, um die Attraktivität des Ortskerns zu steigern und weitere Flächenversiegelung am Ortsrand zu reduzieren“, so wurde von Geschäftsstellenleiter Stefan Neubauer in Erinnerung gebracht. Man hätte sich an das seniorenpolitische Gesamtkonzept des Landkreises Bamberg gehalten, nach dem Grundsatz „ambulant vor stationär“, was besagt, dass die Zahl der Senioren ab 65 zwischen 2013 und 2033 um 64 Prozent steigen würde, für Breitengüßbach sei das Wachstum auf 40 Prozent prognostiziert, was ein Anwachsen von 915 auf 1.278 Personen bedeuten würde.

Ein Modell der Bebauung, gezeigt im Mai 2021 bei einem Vororttermin.

Gemeinderat setzt ein Ratsbegehren dagegen

In dem von einem Investor geplanten Gebäudekomplex seien 70 Wohneinheiten barrierefrei, und er beinhalte zusätzliche einen Gemeinschaftsraum, eine Sozialstation und ein Quartiersbüro. Diese Version entspräche auch den für Breitengüßbach erarbeiteten Ergebnissen des ISEKs (Integriertes Stadtentwicklungskonzeptes).

Die bauplanerischen Forderungen für einen Entwurf ohne Riegelbebauung seien zu vielseitig und kaum umzusetzen. Aus Sicht der Verwaltung wäre die Ausführung dieser Version sehr fraglich. Weitere Nachteile wurden aufgezählt, so dass sich schnell herauskristallisierte, dass der Gemeinderat den Forderungen des Bürgerbegehrens nicht nachkommen werde. Mit einer Gegenstimme wurden sie somit abgelehnt.

Daraus erwuchs nach demokratischen Grundsätzen die Schlussfolgerung, dass diesem Bürgerwunsch ein Ratsbegehren entgegengesetzt werden könne. Mit der Eingangsfrage, „Wollen wir das auch?“ trug Bürgermeisterin Sigrid Reinfelder den entsprechenden Sachverhalt vor und wies auf die Vorteile, die Vereinbarkeit von Wohnraumbedarf, Lärmschutz und Architektur. Die Nachfrage nach den Wohnungen sei jetzt schon hoch und würde das Angebot übertreffen. Mit Erklärungen zur besseren Ökologie und den wirtschaftlichen Aspekten formulierte Reinfelder den Leitsatz des Ratsbegehren: „Ja zum Lebensraum am Brückenweg“, der schließlich von Geschäftsstellenleiter Neubauer als Beschluss zur Abstimmung vorgeschlagen wurde. Mit 13 zu einer Stimme erklärte sich das Gremium gab der Rat grünes Licht für das Ratsbegehren.

Somit konnte Bürgermeisterin Reinfelder dem Gemeinderat das weitere Prozedere vorschlagen: Als Abstimmungstermin der beiden Entscheide käme seitens der Verwaltung Sonntag, der 24. April 2022, in Frage. Neben der Briefwahlmöglichkeit wären als Wahllokale die Schule und die Gemeindeturnhalle auserkoren, wobei von der Bürgermeisterin darauf hingewiesen wurde, dass die gesamte Gemeinde Breitengüßbach wahlberechtigt sei. Die Stimmzettel für den jeweils das Bebauungsareal „Brückenweg-Nord“ betreffenden Bürgerentscheid Nr. 1 (Ratsbegehren – „Ja zum Lebensraum“) und Nr. 2 (Bürgerbegehren – „Keine Riegelbebauung“) würden im April-Mitteilungsblatt abgedruckt. Jede der Parteien habe die Möglichkeit, auf drei Seiten ihre Argumentation vorzustellen, wobei den Initiatoren des Bürgerbegehrens keine Kosten entstünden, erklärte die Bürgermeisterin. Falls beide Entscheide eine 20-prozentige Mehrheit erhalten sollten, dann würde eine abschließende Stichfrage, nämlich „welcher der beiden Entscheide für den Wähler definitiv gelten sollte“ gestellt, damit ein endgültiges Ergebnis erwirkt werde.

Nachträgliche Genehmigung von Mehrkosten

Die Mehrkosten, welche im Zuge der Kläranlagensanierung von Breitengüßbach mit knappen 20.000 Euro als zweiter Nachtrag vorgestellt wurden, wie auch diejenigen, die zwecks Entsorgung des Aushubmaterials bei der Neugestaltung der Unteroberndorfer Straße (St. 2197) mit 90.750 Euro entstanden waren, wurden ohne Gegenstimme genehmigt. Gemeinderat Stefan Schor (CSU) zeigte sich jedoch enttäuscht, dass sich die Schätzung des Gutachters vom tatsächlichen, fast doppelt so hohen Aufwand derartig unterschieden hätte. „Man hätte doch davon ausgehen können“, so Schor, „dass jener entsprechende Erfahrung mitbringen würde“. Die Erste Bürgermeisterin erklärte hingegen, dass die Höhe der Belastung aufgrund der Stichproben nicht zu erkennen war. Die Gesamtkosten seien jedoch noch auf die anderen Beteiligten umzulegen, so dass für die Gemeinde wahrscheinlich nur 45.000 Euro zu Buche geführt werden.

Neue Vergaberichtlinien für Bauplätze

Mit dem Tag der Sitzung und ergangenen einstimmigen Beschluss wurden schließlich noch die Richtlinien der Gemeinde Breitengüßbach zur Vergabe von gemeindeeigenen Bauplätzen verabschiedet. Diese waren im Vorfeld umfangend in Klausurtagungen und Ausschüssen diskutiert, und alle in der Januarsitzung vorgeschlagenen Änderungen seien ebenfalls eingearbeitet worden. Die Punktevergabe richte sich nach dem jetzt vorliegenden orts- und sozialbezogenen Richtlinien. Bei Zahlengleichheit würde das Los entscheiden. Die Frist für die Bauverpflichtung hätte sich aufgrund der aktuell erschwerten Lage innerhalb der Baubranche von drei auf fünf Jahre verlängert. Stichtag für die Nachweise der Interessenten ist der 1. Januar 2022.

Schließlich, so beendete Bürgermeisterin Reinfelder die Sitzung, wurde noch mit dem Wasserwirtschaftsamt Kronach eine Nutzungsvereinbarung bezüglich der Quelle und dem „Wasserhäusla“ in Hohengüßbach getroffen wurde.

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