Kemmern: 28. Mai, Mittwochabend, 18.15 Uhr. Im Sitzungssaal im Rathaus brennt noch Licht. Bürgermeister Rüdiger Gerst (CSU) hatte Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner (CSU) und den Baudirektor der Autobahndirektion Bayreuth, Wolfgang Lukas, zu einem Gespräch mit der Gemeindeverwaltung eingeladen. Denn diese fürchtet durch die Erneuerung der Autobahnbrücke (A 73) im Zuge des Ausbaus der ICE-Trasse 2017 eine Mehrbelastung der Bevölkerung und versucht nun den Hebel zu finden, schon in der Planungsphase eine Lärmschutzwand zu bekommen.
Bereits im Oktober 2013 forderte Bürgermeister Rüdiger Gerst die zuständige Autobahndirektion auf, den Rechtsanspruchs Kemmerns auf eine Lärmschutzwand im Zuge der Erneuerung zu prüfen. Die Autobahnbrücke, zu schmal für vier darunter verlaufende Bahngleise, muss abgebrochen und komplett neu errichtet werden. Doch ein Rechtsanspruch auf aktiven Lärmschutz an der A 73 besteht nicht und wird sich auch durch die bloße Erneuerung nicht ergeben. Die Aussage von Baudirektor Wolfgang Lukas ist eindeutig. Zwar wird die Spannbreite der Brücke weiter werden. Auch wird die Brücke insgesamt höher, doch dies wird laut Autobahndirektion keine signifikante Erhöhung der Lärmemissionen herbeiführen. Im Vorfeld des Ortstermines mit der Gemeindespitze und der Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner hatte sich Lukas bereits mit dem Planungsbüro abgestimmt, um soweit baulich möglich auf die Belange Kemmern zuzugehen. In die Planungen flössen Vorkehrungen wie größere Kappen mit ein, um auch nachträglich eine Lärmschutzwand anbauen zu können.
Lösung Lärmschutzwall?
Natürlich kann die Gemeinde Kemmern selbst als Bauherr auch einen Lärmschutzwall an der A 73 errichten, so wie es derzeit bereits die Gemeinde Breitengüßbach tut. Eine solche Maßnahme würde auch bestmöglich von der Autobahndirektion unterstützt, sichert Wolfgang Lukas zu. Doch die Wirkung wäre für Kemmern nicht optimal. Mit einem Wall würde man den für Bürgermeister Rüdiger Gerst neuralgischen Punkt, die Brückenmitte, gar nicht erreichen. Auch ist das Unterfangen kein leichtes, da die Gemeindegrenze zu Breitengüßbach, privater Grundbesitz sowie etliche verlegte Leitungen und ein Abwasserbecken der Autobahndirektion selbst doch einige Fragen und Probleme aufwerfen und schließlich erhebliche Mehrkosten verursachen würden. Dennoch wird diese Möglichkeit geprüft.
Bürgermeister Rüdiger Gerst erläutert Bundestagsabgeordneten Emmi Zeulner und Baudirektor Wolfgang Lukas die Situation.
Alte Pläne, alte Gesetze
Baudirektor Lukas hat volles Verständnis für die Belange der Gemeinde Kemmern, aber er ist bei seinen Planungen an Gesetze, Grenzen und Richtlinien gebunden. Wie auch schon bei der Diskussion über die Lärmschutzmaßnahmen mit der Deutschen Bahn werden auch bei dem Neubau der Autobahnbrücke nicht die aktuelle Größe und Belastung der Gemeinde im Jahr 2014 betrachtet, sondern die Pläne und Berechnungswege aus den 1980er-Jahren, die zum damaligen Planfeststellungsverfahren, als die Bundesstraße erst vierspurig ausgebaut und im Anschluss umgewidmet wurde, galten. Jede Wohnbebauung, die danach erfolgte, hat keinen Anspruch auf Schallschutz. Die Gemeinde Zapfendorf hat damals im Rahmen der Aufwertung zur Autobahn direkt gehandelt und auf Lärmschutz geklagt und im zweiten Anlauf vor dem Bundesverwaltungsgericht Recht bekommen.
Weitere Informationen zum Lärmschutz, den die Gemeinde Zapfendorf sich erstritten hat, finden Sie in unserem Videointerview mit dem ehemaligen Bürgermeister Josef Martin (ab Minute 5:50). Das Video können Sie sich kostenfrei bei Youtube anschauen.
Das Thema Lärmschutz ist bereits in der bundespolitischen Diskussion angekommen, ist es doch ein großes Problem für die Kommunen vor allem entlang der Ausbaustrecke der ICE-Trasse, wie Emmi Zeulner berichtet. Um die Kommunen besser zu unterstützen und die Bürger vor noch mehr Lärmemission zu schützen, muss vor allem der Gesetzgeber aktiv werden und überholte Gesetze auf den Prüfstand stellen, um auf die tatsächlich aktuelle Situation in den Kommunen einzugehen – darin waren sich alle Verhandlungspartner einig. Doch das wird wohl noch seine Zeit brauchen.
Kleiner Strohhalm
Ein ganz kleiner Strohhalm winkt Kemmern mit einer anstehenden Verkehrszählung im Jahr 2015. Sollte sich hier herausstellen, dass die Verkehrsbelastung seit der letzten Zählung 2010 tatsächlich und nicht nur gefühlt zugenommen hat und sich somit auch die Lärmemission um mindestens 3 dB(A) erhöht hat, so wird der Rechtsanspruch erneut geprüft. Die Auswertung der Zählung wird 2016 vorliegen, was ausreichen würde, um die neuen Erkenntnisse noch in die Planungen einfließen zu lassen. Eine Erhöhung der Lärmemission bedeutet aber nicht gleich einen Rechtsanspruch auf eine Lärmschutzwand (aktive Lärmschutz). Sind nur wenige Gebäude betroffen, so müssen nur diese mit passivem Lärmschutz aufgerüstet werden, wenn dies günstiger kommt. Hier stehen also noch viele „Wenn und Aber“ im Raum. Doch da sich Bürgermeister und Gemeindeverwaltung bereits so früh um Gespräche und Lösungen bemühen, ist Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner zuversichtlich, denn: „Irgendeinen Hebel gibt es immer, man muss ihn nur finden“.